Willkommen auf unserem Fetival-Blog! Aktuelles rund um die Tage der neuen Klaviermusik Graz findet Ihr in den nachfolgenden Beiträgen.
Sechs junge Künstler*innen, darunter drei Studierende der Kunstuniversität Graz, konnten beim Kompositionswettbewerb im Rahmen des Festivals die Jury (Pianistin Ayami Ikeba und die Komponisten Richard Dünser und Clemens Nachtmann) überzeugen: Aus 48 eingereichten Klavierstücken wurden die Kompositionen von Benedikt Alphart, Armin Cservenák, Philipp Manuel Gutmann, Gianluca Iadema, Jumi Lee und Haruki Noda ausgewählt. Die sechs neuen Stücke werden im Konzertfinale am 12. Juni in der Aula der Grazer Kunstuniversität zur Uraufführung gelangen. Bei diesem Konzert werden auch die Kompositionspreise und ein Pubikumspreis vergeben, sowie der Preis für die beste Interpretation eines der sechs Werks an eine*n Studierende*n der KUG. Insgesamt ist der Wettbewerb mit 2000 € dotiert. Darüber hinaus wird ein Sonderpreis des Wiener Musikverlags Universal Edition – ein Abonnement des neuen Publishing Tools scodo – vergeben.
Benedikt Alphart wurde 1998 in Wien geboren. Er studiert in Graz Komposition und Computermusik bei Richard Dünser bzw. Gerhard Eckel. Akustische Prozesse, die klingende Umwelt, sowie die Möglichkeiten der elektronischen Klangformung dienen ihm als Inspiration für seine akustischen und elektroakustischen Kompositionen.
Sein beim Wettbewerb eingereichtes Stück heißt Cloches tremblantes:
»Im Zentrum des Klavierstücks ›Cloches tremblantes‹ steht die Glocke als imitiertes Klangobjekt. Wirken ihre Umrisse zunächst verwaschen, aus weiter Ferne vernommen, so werden sie immer deutlicher, bis wir in sie selbst eintauchen, die Zeit gefriert und sich die Spur der Glocken langsam auflöst. Dieser Prozess ist formgebend für das Stück. Beim Komponieren hat mich aber auch Reibung interessiert; Reibung, die entsteht, wenn die beiden Materialen – Klavier und Glocke – aufeinander treffen. Was geht verloren? Was tritt hervor? Wie können die einzelnen Klangeigenschaften verbunden, manipuliert werden und so ein hybrides Klangobjekt erschaffen?«
Armin Cservenák wurde 1995 in Gyula (Ungarn) geboren. Seit 2015 studiert er Komposition bei Beat Furrer und Bernhard Lang an der KUG. In seinen Werken verwendet er neben erweiterten Spieltechniken auch ultrachromatische Tonsysteme und versucht, Ideen aus der bildender Kunst, der Architektur einzuarbeiten bzw. verschiedene Arten von Kunstwerken in seinen Stücken zu kombinieren. Er wurde u.a. mit dem Sonderpreis der Péter Eötvös Foundation und mit dem Sonderpreis des Festivals für neue Musik »Unsichtbarer Klang« Budapest ausgezeichnet.
Über sein erfolgreich zum Kompositionswettbewerb eingereichtes Werk Étude 1: Snow schreibt Cservenák:
»In einem riesigen Schneesturm lief ich allein in einer wüsten, trostlosen Ebene zwischen Ungarn und Rumänien auf dem Weg zu einer neuen Hoffnung, einem neuen Leben. Alles war gefroren. Der Schnee fiel in großen Flocken, nur meine Schritte brachen den blendend glänzenden Schleier durch.
Ich sah alles, was ich vorher war, aber vor mir war nichts, nur Versprechen, Vertrauen und Gefahr. Die Zukunft ersetzte die Erinnerungen. Alles war schön...«
Philipp Manuel Gutmann, 1993 im niederösterreichischen Zwettl geboren, ist Komponist, Musikwissenschafter und Musiklektor. Er absolvierte ein Kompositionsstudium an der Wiener MUK bei Dirk DʼAse und an der mdw bei Iris ter Schiphorst sowie an der Zürcher Hochschule der Künste bei Kaspar Ewald und Isabel Mundry.
Der Werkkatalog von Gutmann umfasst Solo-, Kammermusik-, Lied-, Chor- sowie Orchesterkompositionen, die bei den Musikverlagen Doblinger, Kliment und der Musikedition NÖ publiziert wurden. Im Rahmen seiner Arbeit als freischaffender Komponist wurden ihm u. a. Kompositionsaufträge des Staatstheaters Cottbus, des Kulturfests Traisental, des Landes NÖ und der Internationalen Stefan Zweig Gesellschaft erteilt. Er arbeitet darüber hinaus als Musiklektor für den renommierten Wiener Musikverlag Doblinger und forscht zu musikwissenschaftlichen Themen.
Gutmann erhielt u. a. 2021 und 2019 eine Kompositionsförderung der Kulturabteilung der Stadt Wien, 2020 ein Arbeitsstipendium des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, 2018 ein Wissenschaftsstipendium der Kulturabteilung der Stadt Wien sowie 2015 ein Startstipendium für Musik und darstellende Kunst des Bundeskanzleramts Österreich. Er lebt und arbeitet in Wien und Niederösterreich.
Beim Kompositionswettbewerb im Rahmen der Tage der neuen Klaviermusik Graz reichte er ein Klavierstück mit dem Titel Vertigo ein:
»Die Komposition Vertigo vermittelt durch ihren wechselhaften Charakter eine zunehmend bedrohliche und diffuse Stimmung. Ein Schwindelgefühl wird hierbei nicht nur durch die stufenweise Steigerung des Tempos und des kontinuierlich stärker variierenden musikalischen Hauptmotivs erzeugt, sondern findet auch Ausdruck in nervösen Phrasierungs- und Lagenwechseln sowie rhythmisch instabilen, teilweise repetitiven Passagen. Die mysteriöse Atmosphäre dieser Komposition wagt eine Reminiszenz an jene Filmszenen aus Alfred Hitchcocks gleichnamigem Psychothriller, in dem die Höhenangst mittels einer revolutionären Kameraeinstellung veranschaulicht und dadurch die optische Illusion eines Schwindelanfalls erzeugt wird. Jene Orientierungslosigkeit, die beim Hören von Vertigo entsteht, soll darüber hinaus auf die Herausforderungen, Existenzängste und Perspektivenlosigkeit verweisen, mit denen Kunstschaffende aufgrund des derzeitigen Kunst- und Kulturstillstands konfrontiert sind.«
Gianluca Iadema wurde 1996 geboren. Er absolvierte 2016 ein Klavierstudium bei Giampaolo Stuani, Maurizio Zana und Cyprien Katsaris mit Auszeichnung am Konservatorium „Luca Marenzio“ in Brescia und studierte außerdem Komposition und elektronische Musik bei Giancarlo Facchinetti und Roberto di Filippo. Derzeit ist er im Fach Komposition bei Richard Dünser und in Computermusik bei Marko Ciciliani an der Kunstuniversität Graz inskribiert. Neben zahlreichen Preisen und Auszeichnungen (u.a. Preisträger des Schubert-Wettbewerbs der KUG, Preis der italienischen Stiftung „Togni Cantoni Marca") erhielt Iadema 2020 einen Kompositionsauftrag im Rahmen von Wien modern und war 2019 Composer in Residence des Dedalo-Ensembles. Werke von Iadema sind bei den Labels Mille Plateaux und VMS erschienen.
Am 12. Juni wird er sein Klavierstück Adiacente possibile selbst zur Aufführung bringen. Iadema zu seinem Stück:
»Adiacente possibile ist ein Stück für Solo-Klavier, komponiert im Jahr 2020. Es ist eine kurze Klavierkomposition, die spektralistische Nuancen mit Anklängen an den Impressionismus voll ausnutzt. Wie fast alle Kompositionen von Gianluca Iadema ist auch diese in kurzen klanglichen Momenten konzipiert, die als unterbrochene und wieder aufgenommene Diskurse gedacht sind und ein Gefühl der zeitlichen Vergänglichkeit erzeugen sollen. Das gesamte Material wird durch einen einzigen Akkord erzeugt, der wiederum aus der Spektralanalyse eines unharmonischen Spektrums des Klaviers abgeleitet ist.Es wird dann mit einer Haupttechnik, dem Kirchenfenstereffekt, modelliert, die bereits vom Komponisten O.Messiaen konzipiert wurde.«
Jumi Lee wurde 1988 in Südkorea geboren. Sie studierte an der Korea National University of the Arts bei Byung-Eun Yoo Komposition. Seit 2019 lebt sie in Wien, wo sie ihr Masterstudium Komposition bei Michael Jarrell absolviert. Lees Werke kamen mehrmals bei Musikwettbewerben zur Aufführung. Sie arbeitet als Arrangeurin des Glanz Klavier Quintett; ihre Werke werden oft von der Natur und der Literatur inspiriert.
Zu ihrem dreisätziges Werk Poetry übermittelte uns die Komponistin den folgenden Einführungstext:
»Jumi Lees ›Poetry‹ ist ein aus drei Sätzen bestehendes Werk für Klavier Solo, das von dem Film ›Poetry‹ des südkoreanischen Regisseurs Chang-dong Lee inspiriert ist. Der Film behandelt eine an Alzheimer erkrankte alte Frau, die sich einer neuen Herausforderung stellt, Gedichte zu schreiben. Um dichterische Ideen zu finden, macht sie sich auf die Suche nach all den schönen Dingen des Lebens. Nachdem ihr Enkelsohn eine kriminelle Tat begangen hat, entdeckt sie durch das Bewusstsein ihrer Verantwortung sowie den Wunsch nach der Befreiung von Schuldgefühlen den künstlerischen Impuls, was schließlich dazu führt, dass sie über ein durch das Verbrechen ihres Enkelsohns gestorbenes Mädchen schreibt. Die Geschichte zeigt, dass es in jedem von uns ein Potenzial einer Dichterin bzw. eines Dichters besteht. Jumi Lee versucht in ihren Werken, eigene dichterische Impulse auf eine musikalische Ebene zu bringen und auszudrücken. Dadurch schafft sie eine Art Selbstporträt, wobei starke Emotionen wie Sehnsucht besonders spürbar sind. Vor allem im zweiten Satz stellt sie mithilfe von Gregorian chant die sakrale Offenbarung dem Profanen gegenüber.«
Haruki Noda, geboren 1992 in Kumamoto/Japan, wuchs in Wien/Österreich auf. Er studierte klassische Gitarre an der Hochschule für Musik und Tanz Köln. Seit 2015 absolviert er ein Kompositions- und Musiktheoriestudium an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw) bei Gesine Schröder (Musiktheorie) und Iris ter Schiphorst (Komposition). 2017–2019 arbeitete er als Studienassistent am Institut für Musikwissenschaft und Interpretationsforschung der mdw, seit 2019 ist er Projektmitarbeiter beim Forschungsprojekt 'Klingende Zeitgeschichte' am selben Institut. Als Komponist kann er auf zahlreiche Aufführungen verweisen, u.a. durch das Arditti-Quartett im Rahmen von Wien Modern 2020.
Sein Klavierstück Subliminal stimuli kommentiert er so:
»Subliminal stimuli bezeichnet im Englischen Reize, die unterhalb der Wahrnehmungsschwelle liegen. Da vermutet wird, dass diese dennoch vom Unterbewusstsein registriert werden, werden diese häufig beim Brainwashing angewendet. Auf 3 Ebenen lassen sich bei dieser Komposition subliminal stimuli finden:
1. Tempoangaben verhalten sich proportional zu den Jahresmittelwerten der Lufttemperatur der vergangenen Dekaden in Wien. Diese werden unmerklich aber doch stetig größer.
2. À la Lachenmanns Filterschaukel: In die Nachhallphasen ist der Choral "Wach auf! Es nahet gen den Tag" von Richard Wagner eingearbeitet.
3. Die Rhythmik leitet sich vom Morsealphabet ab. 'Vertont' ist hier der erste Absatz des Kommunistischen Manifestes.«